Augenblicke 2
geschrieben und gemailt von Petra Marie Heidemann
Seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht.
Adventszeit, Vorweihnachtszeit –
Groß sind die Erwartungen an diese Zeit,
groß die Hoffnungen,
groß die Sehnsucht nach heiler Welt.
Ein Stück weit suchen wir sie in unseren Erinnerungen.
Doch je intensiver wir suchen,
je mehr wir erhoffen,
desto ernüchternder die Enttäuschung,
wenn mit der ersten Kerze
nicht alles anders geworden ist.
Wir lassen den Kopf hängen.
Wer den Kopf hängen lässt,
kann nicht mehr nach vorne schauen;
wer nicht nach vorn schauen kann,
sieht keinen Horizont.
Wer keinen Horizont sieht,
hat keine Perspektive.
Wer keine Perspektive mehr hat,
gibt sich auf.
Da nutzt es nichts,
wenn einer im Vorübergehen
auf die Schulter klopft
und sagt:
„Kopf hoch, wird schon wieder !“,
und weg ist er .
Etwas ganz anderes ist es,
wenn Jesus zu uns sagt: „Kopf hoch !“
Er gibt uns eine neue Perspektive,
Aussicht auf einen begehbaren Weg.
Er weiß, wie uns zu Mute ist,
er hat abgrundtiefe Niedergeschlagenheit
und verzweifelte Ausweglosigkeit
am eigenen Leibe erfahren.
Wenn Jesus sagt: „Kopf hoch“,
dürfen wir die Augen aufschlagen,
denn wir haben eine Zukunft
in der Geborgenheit
seiner von allen Zwängen frei machenden Liebe.
Seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht.
Wenn wir uns darauf einlassen,
wenn wir uns darauf verlassen,
können wir unseren Lebensweg
erhobenen Hauptes gehen.
Dafür lasst uns ein Licht anzünden,
ein Licht, das wir weitertragen können,
dorthin, wo es noch finster ist.
Alle eure Dinge
lasst in der Liebe geschehen.
L i e b e ist es vielleicht auch, wenn man es nicht schafft, auf jemanden böse zu sein, wenn man glaubt, dass einem das jetzt eigentlich zustände. |
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L i e b e findet ihren Zugang auch dann, wenn Erziehungsversuche sprachlos werden. |
Frau, siehe, das ist dein Sohn !
Siehe, das ist deine Mutter !
Johannes 19, 26b,27a
Diese Worte Jesu, diese vorletzten Worte Jesu, mit denen er sterbend noch in seiner großen Fürsorge die ihm am nahesten stehenden Menschen einander zuweist und sie einander aufs Engste anvertraut und ihnen damit einen Grund und einen Menschen zum Weiterleben gibt, sind mir ein Vermächtnis.
Genetische Verwandtschaft ist eine, Wahlverwandtschaft eine weitere Beziehung, aber für mich bedeutet dieses Wort, dass ich darüber hinaus die Augen, Ohren und das Herz aufhalten muss, um zu erkennen, wen Gott mir zuweist und anvertraut.
Einige Zeit, bevor meine Mutter 1990 starb, hatte sich eine Freundschaft zu einer ihrer Jugendfreundinnen aus Schlesien wieder neu belebt. Und als es meiner Mutter immer schlechter ging, kam sie und war einfach da. Als ich dann so ganz ohne Eltern war, kam mir dieser Bibelvers in den Sinn. Wir haben miteinander darüber gesprochen und „gefühlsmäßig zusammengeworfen“; und nun gehört sie, die schon vor langer Zeit Mann und Kind verloren hat, zu uns. Ohne den Platz meiner Mutter in unseren Herzen zu verdrängen, ist sie für uns, unsere Kinder und unser Enkelkind nicht mehr aus unserem engsten Familienkreis wegzudenken, und es tut ihr und uns gut.
Eine ähnlich intensive Erfahrung durften wir später noch einmal machen, dieses Mal mit anders verteilten Rollen. Die Frauen unserer Söhne wurden uns zu Töchtern, lange bevor sie Schwiegertöchter wurden.
In diesem letzten Auftrag Jesu liegt so unendlich viel Liebe und Wärme, Verantwortung und Aufgefangen-Werden und so viel wachsender Segen ver- und geborgen.
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
2. Mose 20, 16
Vom Hören-Sagen
übers Hören und Sagen
zum Hören,
was der andere
zu sagen hat.
Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
Weil die Schöpfung
etwas Göttliches ist,
ist der Gärtner
eine Hebamme Gottes
und jede Frühlingsblüte
ein erstes Lächeln
seiner Kinder.
Ich bin der Herr, dein Gott,
du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
2. Mose 20, 2 f
Woran du dein Herz hängst,
das ist dein Gott.
Martin Luther
Wer sich von seinen Werten lossagt,
muss sich nicht wundern,
wenn man ihn für wertlos erachtet.
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.
Römer 15, 7
annehmen | mit offenen Händen |
sich schenken lassen | |
wahrnehmen, begreifen, ergreifen | |
festhalten | |
sich freuen | |
respektieren | |
schätzen | |
Wert halten | |
verantworten | |
lieben | |
hüten | |
einander | gegenseitig |
ohne Gegenrechnung | |
exklusiv | |
durch Dick und Dünn | |
vom anderen aus denkend | |
wie Christus uns | ohne Vorbedingung |
ohne Dosierung | |
ohne Einschränkung | |
ohne Eigennutz | |
so, wie wir sind | |
auf immer und ewig |
Unser Trausspruch, unser Motto, Routenplaner unserer Ehe.
Siehe, dein König kommt zu dir,
ein Gerechter und ein Helfer.
Siehe | – mach Augen und Herz auf |
für das und den, | |
was und wer da auf dich zukommt: | |
ein König | – der auf Macht verzichtet; |
ein Gerechter | – der nicht blindlings „jedem das Seine“ gibt; |
ein Helfer | – der sich selbst nicht hilft. |
Aber, er kommt ! | – Er bleibt nicht für sich; |
er wartet nicht ab, ob wir kommen, | |
sondern er sucht uns und findet den Weg zu uns: | |
ein König | – Sein Wort erhebt Anspruch |
auf unser denken, Fühlen und Tun.; | |
ein Gerechter | – auf Gott und die Menschen ist er |
aus-„gerichtet“ und macht uns frei, | |
dieselbe Richtung einzunehmen; | |
ein Helfer | – dass wir, |
wenn auch manchmal unter Schmerzen, | |
von uns selbst loskommen | |
und hier und da | |
selbst zu Helfern werden können. |
Siehe,
dein König kommt zu dir,
ein Gerechter und ein Helfer.
Z u s c h a u e r - T r i - B ü (h) n e
Vorspiel | Samstag - Sonntag - Sommerzeit ! Nicht nur die Spieler steh'n bereit; frisch geputzt sind alle Sitze, weggewischt manch Regenpfütze, mit Besen fegte man herum, fegte für das Publikum. Ich will heut' auf die Seite gehen und nicht das Stück direkt besehen, denn viel mehr fasziniert heut' mich der Spielverlauf im Spiegel der Gesichter. Auch die Tribüne wird zur Szene (ob mit, ob ohne Rückenlehne) !
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1. Akt | Die Menge staut sich bis halb acht, da wird das Tor vorn aufgemacht; ein Strom von Menschen sich ergießt und langsam in die Reihen fließt. Familien, Gruppen und auch Pärchen freu'n sich auf Musical und Märchen. Man trifft, begrüßt sich. Könnt' es anders sein ? Auf jeden Fall ist keiner hier allein. Ein Stimmengewirr erfüllt nun um mich her die Luft: Jemand lacht, einer winkt, einer pfeift, jemand ruft. Hier und da kann man erleben, dass zwei denselben Platz erstreben. Doch regelt sich das mit Bedacht. Bald hat man sich's bequem gemacht mit Dosen, Keksen, Eis zum Schlecken, mit einem Kissen und mit Decken. Programmheft wird zur Hand genommen, man harrt der Dinge, die da kommen. Eine Wespe !!! Schnell den Papierkorb vorgerückt, was dann den Vordermann ''entzückt''. Der steckt sich Zigaretten an, der Hintermann 's nicht leiden kann. Ein buntes Bild, blickt man herum: ein szenenreiches Publikum.
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2.Akt | Nach drei Fanfaren verebbt nun jeder Laut, gebannt man auf die Bühne schaut. Von allen Seiten strömt der Chor aus den Kulissen jetzt hervor. Das Publikum die Köpfe reckt, wer wohl in den Kostümen steckt. Ja, bei allen Auftrittsszenen muss man dringend doch erwähnen, dass man diesen, jenen kennt, indem man seinen Namen nennt und auch vom vorigen Jahr erzählt. Der Nachbar fühlt sich leicht gequält, denn plötzlich lacht das Publikum, und er hat ganz verpasst, warum. Die Blicke, die Köpfe - sie gehen mit, verfolgen die Spieler Schritt für Schritt; und alle Köpfe dreh'n sich um: ein Auftritt quer durch's Publikum. Ich kann's an den Gesichtern sehen: Man ist mittendrin im Spielgeschehen. Die Kinder haben unterdessen, dass alles Spiel ist, längst vergessen. Mit leuchtenden Augen, roten Wangen schreien und rufen sie unbefangen. Doch plötzlich wird es rundum still, und keiner sich mehr rühren will. Vor Spannung man die Luft anhält - Pardauz !!! 'ne leere Dose fällt von oben alle Ränge runter, poltert scheppernd, laut und munter. Ja, ''LIVE'' ist ''Life", echtes Erleben, nicht vor TV-Konserven kleben. Darum passiert es dann und wann, es fängt ganz echt zu regnen an. Und wie ein buntes Pilzgewimmel wachsen Schirme in den Himmel. Als ob vom Regisseur bestellt, wirkt wie ein Untergang der Welt die Szene, die schon so erschüttert, wenn's wirklich stürmt, wenn's echt gewittert. Gibt das Wetter wieder Ruh', klappen alle Schirme zu. Dieses Schicksal kann zuweilen den Abend mehrfach gleich ereilen. Doch fröhlich lächeln Regenhauben, wenn auf der Bühne – kaum zu glauben – auf nasser Bank man singt zu zwei'n klitschnass vom warmen Sonnenschein. Ein buntes Bild, blickt man herum: ein szenenreiches Publikum.
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Pause | Die Pause gibt Gelegenheit für Proviant und etwas mehr Beweglichkeit. Doch spätestens bei der Fanfare Ton sitzen meistens alle schon.
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3.Akt | Inzwischen bricht die Nacht herein, die Bühne strahlt im Lampenschein, und über aller Köpfe schweifen mondlichtartig Lichterstreifen, kreuzen ihren Weg dabei. Nachtfalter taumeln, Fledermäuse huschen vorbei. Die Lichter begleiten jeden Schritt, spielen auf der Bühne mit. Hier und da aus freien Stücken Menschen dicht zusammenrücken. Kühl ist die Nachtluft, und darum legt man dem Nachbarn ein Stück der Decke um. Es spiegeln die Gesichter nicht nur Scheinwerferlichter. Was Licht und Klänge angeregt, die Gemüter doch bewegt, leises Lächeln, leise Tränen auch aufsteigen, im Schutz der Dunkelheit sich zeigen. Und im nächsten Augenblick teilt man Freude, Lachen, Glück, alle Register der Gefühle in sommerlicher Abendkühle. Ein buntes Bild, blickt man herum: ein szenenreiches Publikum.
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Finale | Allmählich geht das Stück zu Ende, und ruck-zuck werden warm die Hände, denn im großen Schlussapplaus, lässt man viel Begeist'rung 'raus, klatscht im Takt. Von vielen Stufen hört man lautes Bravo-Rufen, ruft die Solisten, ruft den Chor, ruft den Regisseur hervor. Auf der Bühne sie sich drängen, das Publikum steht auf den Rängen, steht im selben Scheinwerferlicht, das sich in den Bäumen bricht. Ja, man kann ganz deutlich sehen e in e n großen Kreis entstehen. Die Bühne ist halt nicht zu trennen von dem, was wir Tri-Bü(h)ne nennen. Ein buntes Bild, blickt man herum: ein szenenreiches Publikum. |
Zufriedenheit
Zufriedenheit
ist das Erleben der Gegenwart
unter dem Blickwinkel,
als wären schon Jahre
darüber vergangen.
Blickwinkel
E i n g a n g | ||
Durchlass | Einladung | |
A r b e i t s z i m m e r | ||
Müde Endlosigkeit | Gedankenbrutstätte | |
S c h l a f z i m m e r | ||
Regenerierungsnotwendigkeit | Zweisamkeit | |
W o h n z i m m e r | ||
Mediensammlung | pulsierendes Zentrum | |
K i n d e r z i m m e r | ||
„Mach bloß die Tür zu !“ | Keimzelle unbegrenzter Möglichkeiten |
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K ü c h e | ||
Sisyphusstätte | beliebtester Treffpunkt | |
E s s z i m m e r | ||
Auseinander-Setzungen | Zusammen-Finden | |
B a d e z i m m e r | ||
vertane zeit | Individualitätswinkel | |
K e l l e r | ||
Technische Schaltzentrale und Gerümpel |
Fundgrube | |
H o b b y r a u m | ||
„Bitt, nicht stören !“ | Abenteuer experimenteller Selbstverwirklichung |
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G a r t e n | ||
Selbstauferlegte Ausgleichsarbeit |
atmende Lebensvielfalt |
|
L e b e n s r a u m |
Endgültigkeit
Die Endgültigkeit
hebt sich da auf,
wo sie nicht
am Greifbaren
festzumachen
versucht wird.
Frieden
F | reiheit des anderen | achten | |
R | ücksicht und Geduld | üben | |
I | rrtümer | eingestehen | |
E | rfahrungen | austauschen | |
D | e-mutig | sein | |
E | igenarten | respektieren | |
N | achsicht | zeigen |
Identifikation
Ich bin –
Aber ich bin nicht man,
und ich bin auch nicht wie ... –
Ich bin -
Ich bin –
Aber ich bin nicht die von gestern
Und auch nicht die von morgen –
Ich bin -
Ich bin –
Ich kenne mich recht gut,
aber manchmal bin ich mir fremd -
Ich bin –
Ich bin –
Aber ich suche nach mir
und erprobe
zu sein.
Ich bin ?
Ich werde.
Knopfzeitalter
Ein Knopfdruck,
das Licht geht an.
Ein Knopfdruck,
Musik spielt.
Ein Knopfdruck,
das Geschirr wird sauber.
Ein Knopfdruck,
die Wäsche wird rein.
Ein Knopfdruck,
irgendwo klingelt das Telefon.
Ein Knopfdruck,
die Maschinen arbeiten modulgesteuert.
Ein Knopfdruck,
die Welt erscheint auf dem Bildschirm.
Ein Knopfdruck,
ich stelle die Welt ab.
Ein Knopfdruck,
das Licht geht aus.
Ein Knopfdruck,
das Licht geht an.
Ein Knopfdruck,
die Herz-Lungen-Maschine arbeitet.
Ein Knopfdruck,
die künstliche Niere arbeitet.
Ein Knopfdruck,
der Monitor beweist es:
Ein Knopfdruck,
der Mensch lebt.
Ein Knopfdruck,
das Licht geht aus.
Ein Knopfdruck,
das Licht geht an.
Ein Knopfdruck,
die Energieversorgung ist gesichert.
Ein Knopfdruck,
die Wasserversorgung ist gesichert.
Ein Knopfdruck,
die Entsorgung ist gesichert.
Ein Knopfdruck,
die Grenzen sind gesichert.
Ein Knopfdruck,
der Mensch ist versichert.
Ein Knopfdruck,
die Bombe ist entsichert.
Das Licht geht aus.
MACHT
Der Superlativ
regiert das Minimum;
das Minimum
regiert den Menschen;
denn der Mensch
setzt den Superlativ.
Niemandsland
Da sitzen wir uns gegenüber,
aber du bist nicht da.
Zum Arbeiten ist es zu spät.
Wir erwähnen die Kleinigkeiten des Tages
- isoliert – beziehungslos - .
Du durchblätterst eine Zeitung,
aber du liest sie nicht.
Sogar das Radio schweigt.
Wollen wir noch etwas spielen ?
Aber dazu müssten wir uns erheben,
um in einen anderen Raum zu gehen.
Du sagst: Ich bin müde.
Aber du gehst nicht ins Bett.
Ich hätte dir noch so viel zu sagen,
aber meine Gedanken
erreichen dich nicht, wenn ich schweige.
Du sortierst auf deinem Schreibtisch,
aber du ordnest ihn nicht.
Und mir fällt auch nichts ein,
um dieser Stunde eine Überschrift zu geben.
Das einzig Aktive ist die Zeit,
die uns davonläuft.
Der Tag ist längst zu Ende.
Er hat uns vergessen.
Und so sitzen wir und warten
auf einen sinnvollen Schluss,
damit wir gemeinsam schlafen gehen können,
damit wir gemeinsam
den neuen Tag beginnen können,
damit wir uns wieder
einander begegnen.
Verpasster Augenblick
Ungesagt –
Und drum so wichtig,
dass man dran ersticken muss.
Nachgeholt –
So sinnentleert und nichtig,
verschämtes Ende vor dem Schluss.
VIELLEICHT
N O R D E N |
||
O S T E N |
Vielleicht geht es zu gut, als dass es gut gehen könnte. Erst wenn gar nichts mehr geht, weil die Umwelt Weltmacht und unbeherrscht wird, wird man sich Vielleicht die Hand reichen, weil man muss, um gemeinsam zu überleben. |
W E S T E N |
S Ü D E N |
Petra Marie Heidemann, geb. 1951 in Hannover, Kind schlesischer Flüchtlinge, wohnhaft in Meppen, im Emsland. Lehrer an den Berufsbildenden Schulen. Studium der Germanistik und Biologie und vor einen Jahren - nur so - Ev. Theologie. Prädikantin in der heimatlichen Kirchgemeinde. |
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